Sitten und Bräuche sind so alt wie die Jagd selbst.

 

Stärksten Ausdruck findet das jagdliche Brauchtum in der Zunftsprache der Waidmänner, der sogenannten Jägersprache. Bereits in Jagdschriften und Urkunden des 7. und 8. Jahrhunderts finden wir Anfänge der waidmännischen Sprache. Herangewachsen im Laufe der Zeit besteht sie heute aus etwa 3500verschiedenen Ausdrücken und wurde somit eine richtige Kunstsprache. Wie jede Sprache und wie überhaupt alles Brauchtum, ist die Jägersprache nicht totes oder museales sondern vielmehr etwas lebendiges, welches sich ständig weiterentwickelt.

 

Diese Jägersprache fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl und die menschliche Bindung in der Gemeinschaft

 

Brauch, Sitte und Recht sind ebenfalls die Bindungen, ohne die das Leben einer menschlichen Gemeinschaft nicht möglich ist, wenn nicht das Chaos herrschen soll. Sehr häufig wird aus dem Brauch ein Recht, welches der Staat durch Gesetze schafft. So sind zahlreiche Jagdbräuche heute durch die Jagdgesetze zum Recht geworden.

 

Es entsprach so z.B. dem alten waidmännischen Brauch, waidgerecht zu jagen und das Wild nicht nur zu erlegen, sondern auch zu hegen. In allen deutschen Jagdgesetzen ist diese Verpflichtung heute fest verankert. So heißt es in §1 des Jagdgesetzes „Mit dem Recht zu Jagen ist die Pflicht zur Hege verbunden“, also die Jagd nur noch nach anerkannten Grundsätzen der Waidgerechtigkeit auszuüben und das Wild zu hegen. Genau so gibt es aber auch Gesetze die Verfahren bei  unwaidmännischer Jagdausübung regeln.

 

Der alte Brauch der Jägerprüfung, der Wildfolge und manche andere jagdliche Sitten sind durch die geltenden Jagdgesetze zum Recht geworden. Darüber hinaus kennen wir Jäger aber noch ein umfangreiches jagdliches Brauchtum, dessen Beobachtung zwar nicht durch das Gesetz erzwungen werden kann, bei dessen Vernachlässigung aber der Jäger dem Spott oder der Verachtung der Waidmänner anheim hält.

 

Wer die Jägersprache nicht beherrscht, wer ein Stück Wild nicht gerecht, d.h. unter der Beachtung der dabei üblichen alten Bräuche, aufbrechen kann, wer über die Strecke tritt oder die Jagdsignale nicht kennt, wird von seinen Mijägern nicht anerkannt. Wer etwa gar ohne Liebe zu Wald und Wild und nur nach der Trophäe jagt, wird von der jägerischen Mitwelt verachtet.

 

Wir Menschen eines technischen Zeitalters, die im Alltag gehetzt sind vom Tempo der Zeit und der Maschine, wollen in der Beobachtung alten Brauchtums uns Art und Wesen unserer Vorfahren bewahren. Wir wollen nicht den letzten Zweck, den tiefsten Sinn des jagens in der Erlegung des Wildes und in der Erringung der Trophäe sehen, wir wollen nicht im Hetztempo unserer Zeit die Jagd herabwürdigen zu einer sportlichen Betätigung, sondern wir wollen als Jäger zurückfinden zu den Kräften unseres Volkstums; wir wollen erkennen, dass nicht das „Was“, sondern das „Wie“ entscheidend bei allem Waidwerk ist. Die Jagd soll uns Liebe und Verbundenheit zur Allmutter Natur vermitteln, sie soll uns Kräfte spenden zum harten Kampf des Alltags, sie soll die alten Tugenden fördern, wie Mut und Entschlossenheit, Ausdauer und Zähigkeit. Diese hohen ethischen Werte der Jagd werden sichtbar verkörpert in Brauch und Sinne eines Waidmanns.

 

Auszüge aus „Das deutsche Waidwerk“ 11. Auflage

von Ferdinand von Raesfeld